Fahren auf Sicht
bis zu einem Hauptsignal

Es erreichten uns viele Zuschriften bezüglich "Fahren auf Sicht" und der 400-Meter-Regel. Warum? Wieso?? Weshalb???
Dazu kamen noch einige "Sonderfälle". Diese Themen möchten wir hier gern aufgreifen und etwas näher darauf eingehen.

Vorab der Grundsatz zum Fahren auf Sicht:
Wenn ein Triebfahrzeugführer auf Sicht fahren muss, darf er je nach den Sichtverhältnissen nur so schnell fahren, dass er den Zug vor einem
Fahrthindernis oder Haltsignal sicher anhalten kann. Er darf höchstens 40 km/h fahren. (Ril 408.2561 Seite 1, Abschnitt 1 (1))


Viele EVU haben zudem weitere Einschränkungen:

- Bei Dunkelheit und sichtigem Wetter max. 15 km/h
- Bei unsichtigem Wetter Schrittgeschwindigkeit
- Müssen Sie bei extrem unsichtigem Wetter annehmen, auch bei Schrittgeschwindigkeit vor einem
Hindernis oder Haltsignal nicht mehr zum Halten zu kommen, dürfen Sie ein Fahren auf Sicht nicht durchführen.


Grundsätzlich gilt für das Fahren auf Sicht bis zu einem Hauptsignal:

Ist das Fahren auf Sicht bis zu einem Hauptsignal (oder Signal Ne 14) angeordnet, dann muss über das nächste Hauptsignal
hinaus noch weitere 400 Meter auf Sicht gefahren werden, sofern ab diesem Signal die Fahrt zugelassen ist.


Oft wird die 400-Meter-Regel nur mit dem Vorsichtsignal (Zs 7) in Verbindung gebracht. Das ist aber so nicht richtig. Das Zs 7 hat damit erst mal nichts zu tun.
Vielmehr geht es dabei um den Auftrag zum "Fahren auf Sicht", welcher eben Bestandteil des Zs 7 ist.
Beim Signal Zs 7 muss man die "Fahrt mit besonderem Auftrag" und das "Fahren auf Sicht" differenziert betrachten.

Erhält man zum Beispiel einen schriftlichen Befehl, der einem das Fahren auf Sicht bis zu einem Hauptsignal anordnet, gelten diese 400 Meter ebenfalls!

Doch woher kommen diese 400 Meter, wenn man bis zu einem Hauptsignal auf Sicht fahren soll? Warum sind es 400 Meter? Nicht etwa 300 oder 500?
Mit den 400 Metern deckt man den Bereich ab, in dem das betreffende Signal evtl. noch nicht wieder in Haltstellung gefallen sein kann.
Normal wird der Haltfall ab 50 bis 200 Meter hinter dem Signal ausgelöst, möglich sind aber eben bis zu 400 Meter. Nach neuer Planungsrichtlinie wird - wenn der
Nichthaltfallabschnitt größer 50 Meter ist - ein Kontakt eingebaut, der unabhängig vom Gleisfreimeldeabschnitt das Signal wieder auf "Halt" stellt.


Beginnen wir in diesem Zusammenhang mit Beispielen:
(Fahrtrichtung in Grafiken von links nach rechts)


(1)

Unser Zug erhält an dem Einfahrsignal eines Bahnhofs das Vorsichtsignal (Zs 7).



Es erlaubt ihm, am Signal Hp 0 oder am gestörten Lichthauptsignal ohne schriftlichen Befehl vorbeizufahren.
So weit ist es erst mal eine reguläre Fahrt mit besonderem Auftrag. Nun trägt es ihm aber zudem auf, bis zum nächsten Hauptsignal auf Sicht zu fahren.

Da der Auftrag zum Fahren auf Sicht bis zu einem Hauptsignal angeordnet ist, greift zusätzlich dafür jetzt die 400-Meter-Regel.



Hat unser Zug mit der letzten Achse das Asig in Km 20,0 passiert, ist die reguläre "Fahrt mit besonderem Auftrag" vorbei.
Jetzt gilt aber weiterhin: Fahren auf Sicht!

Hat unser Tf mit der Zugspitze den Kilometer 20,4 erreicht, ist die Situation beendet und er darf wieder auf Fahrplangeschwindigkeit beschleunigen.


(2)

Interessant wird es, wenn der Zug länger als 400 Meter ist. Was ist da zu beachten?
Unser 600 Meter Güterzug erhält am Esig des Bahnhofs Sichthausen wieder das Vorsichtsignal (Zs 7).



Er passiert das Asig in Km 20,0 und fährt weiterhin regelkonform mit der Zugspitze bis Km 20,4 auf Sicht...



Darf er jetzt wieder auf Fahrplangeschwindigkeit beschleunigen? Nein! Sein Zugschluss Hat das Asig noch nicht passiert! Somit ist die Fahrt mit besonderem
Auftrag noch nicht vorbei. Jetzt gilt in diesem Beispiel somit: Weiterhin mit max. 40 km/h, bis die letzte Achse des Zuges das Asig in Km 20,0 passiert hat.


(3)

Ein weiteres Beispiel: Eine Abzweigstelle. Hier kann das Fahren auf Sicht auch gern mal etwas weiter sein.
Unser Beispielzug erhält am Blocksignal der Abzweigstelle Langesicht das Vorsichtsignal (Zs 7).



Der anschließende Weichenbereich wäre in diesem Fall beendet, wenn die letzte Achse des Zuges die letzte Weiche im Fahrweg passiert hat.
Der Auftrag zum Fahren auf Sicht gilt hingegen bis zum nächsten Hauptsignal (Km 19,0) und durch die 400-Meter-Regel auch noch 400 Meter darüber hinaus.
Erreicht unser Triebfahrzeugführer mit der Zugspitze den Kilometer 19,4, darf er seinen Zug in unserem Beispiel wieder auf Fahrplangeschwindigkeit beschleunigen.


(4)

Eine Frage war: Was ist denn, wenn ich mit Vorsichtsignal (Zs 7) in den Bahnhof einfahre und mit meinem Reisezug planmäßig am gewöhnlichen
Halteplatz ende, ich aber im weiteren Fahrtverlauf in Fahrtrichtung als Rangierfahrt weiter in die Abstellung fahre?
In diesem Beispiel betrachten wir rein das Fahren auf Sicht.

Unser Beispielzug erhält am Esig des Bahnhofs Sichthausen Süd wieder das Vorsichtsignal (Zs 7).



Er fährt nun auf Sicht bis zu seinem gewöhnlichen Halteplatz am Bahnsteig.



Muss ich nun auf Sicht weiterfahren? Das Zs 7 sagt ja bis zum nächsten Hauptsignal und dazu noch die 400-Meter-Regel?! Nein.
Eine Rangierfahrt kann keinen Auftrag zum Fahren auf Sicht bekommen. Der Auftrag endet hier mit Beendigung der Zugfahrt.

Eine Rangierfahrt muss ohnehin seine Fahrgeschwindigkeit so einstellen, dass sie vor haltgebietenden Signalen, vor Fahrzeugen,
vor Gefahrstellen, die einen Halt erfordern (örtliche Zusätze oder Betra) oder an der beabsichtigten Stelle zum Halten kommt.

Insofern würde eine Fahrt auf Sicht gar keinen Sinn machen.


(5)

Eine weitere Frage war, wie es sich denn mit Richtungswechseln verhalten würde? Schauen wir es uns doch einmal an...

Unser Beispielzug kommt aus Sichthausen Süd und erhält am Einfahrsignal des Bahnhofs Sichthausen Nord Signal Vorsichtsignal (Zs 7).
Er soll in dem Kopfbahnhof seine Richtung ändern und weiter in Richtung Sichthausen fahren.



Ab dem Esig gilt somit wieder "Fahren auf Sicht". Eine Besonderheit in diesem Beispiel: Die Fahrt führt in ein Stumpfgleis!
Das auf dem Esig angebrachte Form-Zs 3 mit Kennziffer "3" behält seine Gültigkeit (eine Blechtafel kann schließlich nicht gestört sein).
Bei Tag und sichtigem Wetter sind beim Fahren auf Sicht ja bis zu 40 km/h zulässig. In diesem Fall wären es somit nur 30 km/h.
Niedrigere Geschwindigkeiten (Zs 3, Lf-Signale, La) sind auch beim Fahren auf Sicht unbedingt zu beachten!

Unser Zug ist nun auf Sicht in den Bahnhof Sichthausen Nord eingefahren.



Doch was jetzt? Der Auftrag zum Fahren auf Sicht gilt ja bis zum nächsten Hauptsignal... und dann waren da ja noch die 400 Meter...

Mit erreichen des Halteplatzes kann die Zugfahrt als beendet betrachtet werden (auch wenn sie in Gegenrichtung die selbe Zugnummer behält!).
Stellwerks- und sicherheitstechnisch ist jetzt jeglicher Grund zum Fahren auf Sicht nach einem Richtungswechsel entfallen.

Die Ausfahrt unseres Beispielzuges erfolgt dann ganz normal.